MIT KV Lüneburg - 22. „Gespräche MIT Genuss“ im Spannungsfeld von Verbraucher- / Naturschutz und Lebensmittelproduktion

Datum des Artikels 14.06.2016

Flexibel, schnell und tatkräftig – das sind die Attribute, die dem Mittelstand zugeschrieben werden. Bei den 22. „Gesprächen MIT Genuss“ der MIT Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung mussten sie unter Beweis gestellt werden. Bereits für den Februar geplant, musste das Treffen verschoben werden. Auch der Ausweichtermin kollidierte plötzlich mit einer kurzfristig anberaumten unaufschiebbaren Besprechung des vorgesehenen besonderen Gastes. Innerhalb von Stunden war eine Lösung gefunden, und was für eine: Christoph Minhoff (Berlin), Hauptgeschäftsführers der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) – er kommt stattdessen im kommenden Jahr – gewann an seiner Stelle seinen BVE-Ehrenpräsidenten Jürgen Abraham (Seevetal) und dieser versprühte ein Feuerwerk an Unternehmergeist und Kundenorientierung.

 

Nach der Begrüßung der rund 30 Mitglieder und Gäste durch den MIT-Vorsitzenden Peter Luths und begleitet von einem genussvollen Menü des Küchen- und Serviceteams des Hotels Bergström legte der 1940 in Cuxhaven geborene Jürgen Abraham los. Sich sichtlich wohlfühlend inmitten von Mittelständlern aus Produktion und Handel, Handwerk und Dienstleistung schilderte er zunächst seinen Werdegang:

 

Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann war er zunächst im elterlichen Lebensmittelhandel beschäftigt, ehe er sich mit seinem Bruder Rolf 1964 selbständig machte und Wochenmärkte mit Schinken, Wurst und Käse beschickte. Nach der Übernahme einer Schinkenräucherei 1971 in Moisburg erfolgte 1981 der Umzug nach Seevetal an die BAB 1. Weitere drei Werke wurden in Deutschland sowie je eines in Belgien und Spanien übernommen und Vertriebsgesellschaften in Polen, USA und Frankreich gegründet. Im Jahr 2008, kurz vor der Finanzkrise und mit einem auf rund 200 Millionen Euro angestiegenen Jahresumsatz, verkauften die Brüder Abraham 75 Prozent ihres Unternehmens an den Schweizer Fleischproduzenten Bell AG und danach die verbliebenen Anteile.

 

Daneben übernahm Jürgen Abraham 2005 bis 2013 die Präsidentschaft der BVE, dessen Ehrenpräsident er seitdem ist. Als BVE-Vertreter gehört er ebenfalls seit 2007 dem Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) an. Heute betätigt er sich unternehmerisch als Gesellschafter der JARA Holding, deren Namen aus den Initialen der Brüder Abraham gebildet ist, und der Lutz Convenience Food; diverse ehrenamtliche Aktivitäten kommen hinzu.

 

In der Zeit als Marktbeschicker habe er das Verkaufen gelernt, schilderte Abraham mit leuchtenden Augen: „Wenn ich in die Gesichter der Hausfrauen gesehen habe, wusste ich, was sie brauchen. Zwar beschwerte sich abends meine Frau, dass ich nach Käse stank, aber die Kasse war voll. Tagesumsätze von 5.000,00 Mark waren keine Seltenheit.“ Auch nach dem Wechsel vom Markthandel zur Schinkenproduktion baute der Vater zweier erwachsener Kinder auf sein geschäftliches Gespür. Dabei war ihm stets der persönliche Kontakt wichtig, der manche stockende Verhandlung wieder ins Rollen und zu einem beiderseits zufriedenstellenden Abschluss gebracht hat. Sicherlich war neben dem Geschäftssinn auch etwas Glück im Spiel, dass der Verkauf an die Bell AG zu einem Zeitpunkt erfolgte, als von der 2009 einsetzenden Finanzkrise noch nichts zu ahnen und 2008 sicherlich ein besserer Erlös als in den Folgejahren zu erzielen war.

 

Dass die Lebensmittelproduktion im Zeichen von Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz unter besonderer Aufmerksamkeit steht, ist Jürgen Abraham bewusst. Er stellt sich dem offensiv, appelliert an die Mündigkeit der Verbraucher und deren vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren. „Noch nie war die Ernährung so vielfältig wie heute, noch nie die Lebensmittelproduktion so sicher und transparent.“

 

Die aktuelle Milchpreiskrise habe sich abgezeichnet: Über Jahre sei zu viel produziert worden, so dass bei steigenden Mengen die Preise hätten fallen müssen. Der jetzt erforderliche Kapazitätsabbau sei zwar schmerzlich, aber unausweichlich.

 

Einfach und anschaulich, wie Jürgen Abraham garniert mit mancher Anekdote sein Wirken beschreibt und seine Einschätzungen abgibt. Zahlreiche Anknüpfungspunkte für lang anhaltende und lebhafte „Gespräche MIT Genuss“.