Nach der Wahl ist vor der Wahl – das gilt jedenfalls aktuell zwischen Nordsee und Harz und so war eine anregende und lebhafte Diskussion der Gäste aus Mittelstand und Wirtschaft garantiert. Nachdem der Vorsitzende Peter Luths die Gäste begrüßt und vorgestellt hatte und begleitet von einem genussvollen Menü blickte Müller-Rommel erst einmal zurück auf die Bundestagswahl. Dabei schöpfte er aus langjährigen Erfahrungen, die ihn bereits in jungen Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Berater in das damals noch in Bonn angesiedelte Bundeskanzleramt zu Zeiten Helmut Schmidts und Helmut Kohls geführt hatten; später war er auch in der niedersächsischen Staatskanzlei während der Amtszeiten Sigmar Gabriels und Christian Wulffs tätig. Daneben konnte er in der Woche vor der Wahl in Berlin aus vielen Begegnungen u.a. mit Kollegen und Journalisten unterschiedliche Stimmungen aufnehmen. Nach dem eher unspektakulären Wahlkampf mit dem farblosen TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten – ein Gast merkte an, dass die Tage nach der Wahl spannender als der gesamte Wahlkampf gewesen seien – habe sich die Aufmerksamkeit vermehrt auf die vier kleineren Parteien und deren Kampf um den dritten Platz verteilt, was sicherlich mit zu den Verlusten von CDU/CSU und SPD und dem gegenüber manchen Erwartungen erfolgreicheren Abschneiden von FDP, Linken, Grünen und AfD beigetragen habe. Dass die AfD in den Bundestag eingezogen sei, würde sicherlich vielen nicht gefallen; gleichwohl sah der Politikwissenschaftler darin auch einen positiven Aspekt: Anders als in der Vergangenheit in und nach Zeiten einer großen Koalition fände ein Protest damit künftig innerhalb des Parlaments statt, so dass die Möglichkeiten der Bildung einer außerparlamentarischen Opposition und damit das Protestpotential auf der Straße – wie in den 1960er Jahren die APO und in deren Folge die RAF und jüngst Pegida – geringer würden. Interessant auch, was der an der Leuphana Universität Lüneburg lehrende und forschende Präsident der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft aus der politischen Hauptstadtszene mitbrachte: Dort werde kolportiert, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel große Stücke auf die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer halte und dass die Ernennung von Andrea Nahles zur Fraktionsvorsitzenden auch als Machtdemonstration von Martin Schulz gegenüber dem niedersächsischen Duo Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann gewertet werde. Ganz sachlich stellte Müller-Rommel fest, dass der Bundestag mit künftig 709 Abgeordneten nach dem chinesischen Volkskongress mit rund dreitausend Mitgliedern noch vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus (435) und der russischen Duma (450) das nach Anzahl zweitgrößte Parlament weltweit sei. Nicht schwierig, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, wenn man bedenkt, welch hohe Kosten dadurch entstehen, ohne dass automatisch die parlamentarische Arbeit an Qualität gewinnt. Knapp werde es in Niedersachsen. CDU und SPD sowie FDP und Grüne sowie Linke und AfD liegen nach einer von Infratest dimap im Auftrag des NDR nach der Bundestagswahl durchgeführten Umfrage jeweils fast gleichauf. Dabei müsste für jedes Umfrageergebnis eine Fehlertoleranz von etwa zwei Prozentpunkten einkalkuliert werden. Spannend werde es nicht nur sein, wer stärkste Partei wird, sondern auch, ob Linke und AfD den Einzug in den Landtag schaffen werden. Da sich in Niedersachsen bisher zwei Lager gegenüber stünden, sei kaum zu prognostizieren, wie eine künftige Regierung aussehen könnte. Wahrscheinlich sei es erforderlich, den Graben zwischen den Lagern zu überwinden. Umso mehr seien alle Wahlkämpfer gefordert, ihre Anhänger zu mobilisieren. Zahlreiche Anknüpfungspunkte für lebhafte Diskussionen und anregende „Gespräche MIT Genuss“.
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